10 Fragen an Grzegorz Kobiela
21.10.2016
Grzegorz Kobiela
Redakteur
Lookout Spiele
Lookout Spiele
Hallo Herr Kobiela, vielen Dank, dass Sie sich für die 10 Fragen des Brettspiegels Zeit nehmen. Sie sind Redakteur beim Verlag "Lookout Spiele". Können Sie den Lesern und Leserinnen einen Einblick in Ihren Arbeitsalltag geben?
Als Erstes schaue ich in mein E-Mail-Postfach und beschäftige mich mit den neuen E-Mails. Gerade, wenn wir uns in der Endphase der Arbeit an einem neuen Spiel befinden, kann darüber viel Input hereinkommen, der gesichtet und verarbeitet werden möchte. Auch erhalten wir laufend neue Spielideen von Autoren. Diese schaue ich mir an, so es die Zeit erlaubt (wenn nicht gerade etwas dringender ist). Überzeugt die Idee, bitte ich um einen Prototypen, andernfalls muss ich leider absagen.
Da wären wir dann auch schon beim Kern meiner Tätigkeit: den Spielen selbst. Diese gehören getestet, jemand muss die Spielregeln schreiben, Texte auf dem Spielmaterial müssen sauber formuliert werden. Wo das Testen eher im Team und in Testgruppen stattfindet, ist das Schreiben dann ganz allein mein Bereich. Sobald im Endstadium der Spiele-Entwicklung die Anleitung und alles Spielmaterial vom Grafiker gesetzt und gezeichnet sind, muss ich natürlich auch da noch einmal Hand anlegen: nicht alles gelingt beim ersten Mal oder sieht so aus, wie man es sich vorgestellt hat. Und schließlich übersetze ich selbst alles ins Englische.
Wer ist eigentlich außerhalb Ihres Tätigkeitsbereiches noch bei "Lookout" tätig und welche Aufgaben werden in dem Unternehmen noch übernommen?
Wir sind sechs Leute im Team. Neben meiner Wenigkeit ist da Sören, unser "Einhorn", der (offiziell) für das Projektmanagement, die IT und Kommunikation zuständig ist, aber so gut wie alles macht, was nicht zum Aufgabenbereich der anderen Teammitglieder zählt. Klemens ist der Grafiker, seine Frau Andrea setzt die Anleitungen, Doris die Chefin und Günter beschäftigt sich mit Lizenzen.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach die Spiele vom Verlag "Lookout" aus und was macht Sie im Gegensatz zu anderen Verlagen besonders?
Wir setzen auf innovative Mechanismen oder neuartige Wege bekannte Mechanismen umzusetzen. Unser Hauptaugenmerk gilt dem erfahrenen Vielspieler. Von Zeit zu Zeit bringen wir aber auch mal was Einfacheres heraus.
Wie kamen Sie zur Brettspielbranche bzw. zu Ihrer Profession?
Ich glaube, wirklich angefangen hat alles mit "Boardgamegeek" und Uwe Rosenberg. Über eine Online-Plattform für Studierende erfuhr ich, er tingele durch Deutschland und zeige seine Prototypen. Also lud ich ihn nach Hannover ein und er kam. Daraus ergab sich schnell eine Freundschaft. Parallel wurde ich über "Boardgamegeek" von polnischen Verlagen angefragt, ob ich nicht für sie Spiele ins Deutsche übersetzen könne. Durch den Kontakt zu Uwe kam ich bald auch zu anderen Übersetzungsaufträgen und natürlich auch zu "Lookout". Offensichtlich habe ich über die Jahre hinweg mit meiner Arbeit überzeugt.
Sie haben bereits die Redaktion bei Spielen, wie z.B. "Ora et Labora", "Caverna" und "Kampf um den Olymp" übernommen. Inwiefern hatten Sie einen Einfluss auf die Entwicklung dieser Projekte?
Uwe hatte früh mein redaktionelles Potenzial erkannt und mich in Projekten wie "Ora et Labora" und "Caverna" mit eingebunden. Bei beiden Spielen habe ich an der Spielanleitung mitgewirkt und im Falle von "Caverna" diese auch ins Englische übersetzt. Bei "Ora et Labora" war ich auch an den Tests mitbeteiligt, vor allem für das Kurzspiel und das Zweipersonenspiel. Das Projekt "Kampf um den Olymp" übernahm ich als eines der Ersten, als ich im April dieses Jahres bei "Lookout" als Redakteur fest angestellt wurde. Hier habe ich die Spielanleitung und Kartentexte vollständig überarbeitet und wie üblich auch übersetzt.
Aktuell stehen die Spiele "Costa Rica", "Kampf um den Olymp" und die "Kolonisten" an. Was können Sie Interessantes zu diesen Projekten berichten?
"Costa Rica" ist ein schönes Familienspiel mit toller Grafik und einem sehr beliebten Mechanismus, nämlich "Push-Your-Luck". In einer siedler-ähnlichen Auslage von Sechseckfeldern deckt ein Spieler immer eines auf. Darauf sind Tiere abgebildet, die es zu sammeln gilt. Reihum dürfen die Spieler entscheiden, ob sie die bisher aufgedeckten Tiere nehmen oder weitere aufgedeckt werden. Wer gerade aufdeckt, hat natürlich immer die erste Wahl. Insgesamt bekommt man so sechsmal im Spiel Plättchen. Daher gilt es, hier immer den richtigen Zeitpunkt abzuwarten und das Risiko abzuschätzen. Gerade das Endspiel bietet eine Lernkurve, die man nicht nach einer Partie gemeistert haben kann. "Kampf um den Olymp" ergänzt unsere Zweipersonenreihe mit einem pfiffigen Schlagabtausch. Wir spielen Heldenkarten auf die 6 Felder auf unserer Seite des Spielplans. Diese kämpfen immer mit den gegenüberliegenden Karten des Mitspielers (oder bekommen einen Bonus, wenn sie gerade keinen Gegner haben). Ziel ist es, entweder 6 Karten ausliegen zu haben, die einen Spielzug des Mitspielers überleben, oder – ich nenne es mal "über Tauziehen" – 7 Siegpunkte zu bekommen. Die meisten Karten haben Sonderfähigkeiten, die man geschickt einsetzen muss, um am Ende siegreich da zu stehen. Bezahlt werden die Karten in alter "San-Juan-Manier" mit anderen Handkarten; hier jedoch haben die Karten Farben und die Kartenpreise sind bestimmte Farbkombinationen. "Die Kolonisten" … ist der Titan unter unseren Spielen (wo wir gerade bei griechischer Mythologie waren). Es ist das Erstlingswerk des Autoren Tim Puls, macht aber den Eindruck, als sei hier ein eingefleischter Spieleerfinder am Werk gewesen. Das Spiel bietet wahnsinnig viel, vor allem auch neuartige Mechanismen. Grundsätzlich baut sich hier jeder Spieler ein kleines Dorf zusammen und versucht am Ende, das wertvollste von allen zu haben. Wie so oft werden hier Gebäude mit Sonderfähigkeiten gebaut, allerdings tun diese Gebäude erst etwas, wenn das korrekte Personal darin arbeitet – und das gibt es in drei Stufen. Wer sich da an das PC-Spiel "Anno" erinnert, der weiß, woher der Autor seine Grundidee hat. Außerdem: Wo in anderen Spielen Waren einfach nur gesammelt und ausgegeben werden, muss man sich hier um deren Lagerung kümmern. Wo in vielen Spielen Arbeiter einfach so auf Aktionsfelder eingesetzt werden, müssen sie hier über einen modularen Spielplan (bestehend aus Sechseckfeldern) zu den gewünschten Aktionsfeldern laufen. Zudem wächst der Spielplan von Runde zu Runde, wo wir auch beim nächsten Aspekt wären. Das Spiel erzählt eine Geschichte über vier Epochen à 10 Runden. In jeder Runde macht der Spieler an der Reihe gleich 3 Spielzüge am Stück. Und das Beste ist: jede Epoche kann alleine oder es können beliebig viele davon gespielt werden – ganz nach Lust und Laune (und Zeit). Ich könnte noch so viel von dem Spiel schwärmen, aber belasse es erst einmal dabei. Eines möchte ich nur noch ergänzen: Wer sich seit jeher gefragt hat, warum manche Karten in Spielen nur einen einmaligen Effekt haben, findet hier seine Antwort …
Das Spiel "Isle of Skye" hat den diesjährigen Preis des "Kennerspiels" abgeräumt. Wie wurde dies von Ihnen und dem restlichen Verlag aufgenommen?
Wir haben uns sehr darüber gefreut. Die Konkurrenz war dieses Jahr schließlich nicht ohne – zwei sehr innovative Spielideen. Ehrlich gesagt, hatte ich mich auf eines der anderen Spiele eingestellt. Ich bin der Jury aber dankbar, dass sie auch klassisch gute Spiele nicht nur in Betracht zieht, sondern auch letztendlich mit dem Preis würdigt.
Welche Spiele spielen Sie eigentlich gerne in Ihrer Freizeit?
Am liebsten spiele ich komplexe "Eurogames", aber man kann mich durchaus zu jedem Spiel überreden. Es gibt nur wenige Spiele, bei denen ich mich weigern würde mitzuspielen, zum Beispiel die "18xx-Titel" (zu lang und gegen Ende monoton) oder Spiele, bei denen man gespielt wird (also ohne echte Entscheidungen). Mein Lieblingsspiel war lange Zeit "Funkenschlag" von Friedemann Friese, dann "Le Havre" von Uwe Rosenberg und später "Dominion" von Donald X. Vaccarino. Mittlerweile fällt es mir schwer, nur einen Titel zu benennen. Es gibt so viele gute Spiele.
Auf was freuen Sie sich auf der "SPIEL 16" besonders?
Am meisten freue ich mich auf die Menschen. Damit meine ich nicht nur Bekannte, die man alle Jahre wieder in Essen trifft und sonst meist nicht, sondern auch die Spielerinnen und Spieler, die herkommen, um unsere Spiele zu spielen. Zugegeben werde ich dieses Jahr wohl weniger selbst erklären und beim Spiel zuschauen, aber vielleicht ergibt sich die eine oder andere Gelegenheit. Und obwohl das Arbeit ist, freue ich mich auch auf die vielen Autoren, die einen Termin mit uns vereinbart haben, und ihre (hoffentlich) tollen Spielideen.
Haben Sie schon einmal selbst versucht, ein Spiel zu entwickeln? Oder haben Sie sogar bereits ein Spiel entwickelt?
In meiner Kindheit habe ich tatsächlich sowas wie ein Spiel entwickelt – das Problem ist, das würde keiner spielen wollen(es war sehr viel Rechnerei). Ansonsten hatte ich schon einmal die eine oder andere Idee, aber nicht die Muße, sie dann auch umzusetzen. Viel lieber arbeite ich mit Prototypen, die mir vorgelegt werden – da ist nämlich schon etwas da. Eine Idee in einen Prototypen zu verwandeln, fiele mir selber sicherlich schwer.