10 Fragen an Michael Schmitt
28.08.2016
Michael Schmitt
Inhaber Edition Spielwiese
Edition Spielwiese
Hallo Herr Schmitt, schön, dass Sie für das Interview Zeit gefunden haben.
Sie haben gemeinsam mit Rolf Raupach einen Spieleverlag gegründet, die "Edition Spielwiese".
Erklären Sie erstmal bitte, was überhaupt die "Spielwiese" ist?
Die "Spielwiese" war bisher "nur" ein Spielecafé, eine Ludothek und ein Laden für Gesellschaftsspiele, wobei der Ladenteil in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen ist, die anderen beiden Standbeine aber immer wichtiger wurden. Eröffnet habe ich die Wiese vor fast genau 10 Jahren (im Juli 2006 habe ich den Mietvertrag unterschrieben, eröffnet habe ich dann direkt nach der "SPIEL" im selben Jahr) und habe somit eines der ältesten Spielecafés der Welt. Seither hat die Spielwiese weltweit Bekanntheit erlangt und viele Nachahmer gefunden, über die ich mich sehr freue und die zum Teil sehr viel größer und erfolgreicher sind. Weit mehr als die Hälfte meiner Kunden sind auch nicht aus Deutschland.
Wie kam es denn zu dem Entschluss, einen Verlag zu gründen?
Schon recht schnell haben sich bei mir Stammtische etabliert, und obwohl vergleichsweise wenige richtige Vielspieler zu meinen Kunden zählen, ist einer dieser Stammtische ein wöchentliches Treffen von Spieleautoren. Der Kern besteht zwar aus den Berlinern, aber die Gruppe wird auch immer wieder durch internationale, sehr bekannte Autoren bereichert. Und hier habe ich so viele Prototypen gesehen, denen ich ihren Erflog schon angesehen habe und die dann bei anderen Verlagen erfolgreich veröffentlicht wurden. Die beiden bekanntesten aus den letzten Jahren sind vielleicht "Qwirkle", "Masquerade" und "Patchwork".
Ich wurde aus der Gruppe heraus immer wieder angesprochen, ob ich nicht unter meinem Label Spiele veröffentlichen wolle, habe da aber eine Zeitlang immer abgetan mit dem Argument, dass ich mit der Spielwiese, wie sie jetzt ist, genug zu tun hätte. Ob man es glaubt oder nicht, es ist sehr viel Arbeit, nicht nur bei den Spielern, sondern auch bei den Verlagen einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Die Gegend, in der meine "Spielwiese" liegt, der Simon-Dach-Kiez in Berlin Friedrichshain, ist allerdings seit geraumer Zeit, wie so viele Bezirke in Berlin einer Veränderung unterzogen, die viele alteingesessene Läden verdrängt, da viele Häuser die Besitzer wechseln, um in teure Eigentumswohnungen verwandelt werden und die Gewerbeobjekte diesen Wandel mitmachen. Die Mieten und Kosten sind so stark gestiegen, das irgendetwas geschehen musste, um die "Spielwiese" noch länger bestehen lassen zu können ohne die Preise zu sehr nach oben anpassen zu müssen und Gefahr zu laufen, viele meiner langjährigen Stammkunden zu verlieren.
Irgendwann ist dann auch Uwe Rosenberg auf mich aufmerksam geworden und um die Geschichte abzukürzen, durch seinen Impuls habe ich mich letzten Sommer entschlossen, jetzt doch einen Verlag zu gründen. In Essen auf der "SPIEL15" haben wir uns dann letztendlich zusammengesetzt und beschlossen im Herbst 2017 mit einem Spiel von Sophia Wagner (die letztes Jahr das "SDJ" Jury Stipendium gewann und ebenfalls ein Spielwiesen Gewächs ist) und Rolf Raupach als Redakteur zu beginnen.
Dass dann doch schon dieses Jahr ein Spiel erscheinen wird, und gleich ein Rosenberg, war bis Ende April noch gar nicht klar.
Ist die Verlagsführung eher ein Nebenjob oder wird diese nun als Hauptberuf in Angriff genommen?
Die "Edition Spielwiese" wird immer ein Teil des Projekts "Spielwiese" sein, von daher also ein Teil meines Hauptberufs :)
Was macht die "Edition Spielwiese" in Ihren Augen so besonders?
Auch wenn ich als totaler Neuling in die Verlagsszene einsteige, habe ich in den letzten 10 Jahren ohne es selbst so wahrzunehmen ein Netzwerk in der Szene aufgebaut, dass mich jetzt unglaublich unterstützt. Produzenten, Redakteure, Illustratoren, Autoren von allen Seiten bekomme ich unglaublich viel Hilfe, die mich davon abhalten Fehler zu machen.
Als Spielecafé und Mitglied im VDSL (dem Verband deutscher Spieliotheken/Ludotheken) habe ich auch ein immenses Arsenal an potentiellen Spieletestern zur Verfügung, die dafür sorgen, dass die Spiele dann auch wirklich funktionieren.
Ich bin hier, noch viel mehr als die allermeisten anderen Redakteure oder Verlage direkt an der Zielgruppe und sehe jeden Tag, welche Spiele von den verschiedensten Spielergruppen gespielt werden und welche, trotz Hype im Vorfeld der Veröffentlichung, einfach im Regal verstauben. Dadurch habe ich ein ziemlich gutes Gespür dafür entwickelt, was gehen könnte und was nicht. Wobei ich manchmal natürlich selbst noch überrascht werde.
Mit welchen Problemen und Schwierigkeiten hatten Sie bei der Verlagsgründung zu kämpfen?
Ich habe quasi bei null begonnen und vom Verlagswesen überhaupt keine Ahnung gehabt. Der Start 2017 hätte mir die Möglichkeit gegeben, in 24 Monaten in alles reinzuwachsen. Durch "Cottage Garden" hat sich mein komfortabler Zeitplan, den ich auf Wochen und Monate ausgelegt hatte, auf Tage und Stunden reduziert. Die letzten 3 Monate waren somit fast die intensivsten meines Lebens. Aber alle, denen ich von meinen Plänen erzählt und nach Erfahrungen gefragt habe, waren sofort bereit mir zu helfen. Ganz besonderen Dank gilt hier Matthias Nagy, Mario Coopman und vor allem auch Michael Menzel, der dann auch unser zweites Spiel illustrieren wird. Aber es sind noch unendlich viel mehr Akteure, zum Teil in wichtigen Positionen in der Szene, die mir unter die Arme greifen.
Was ist Ihr Ziel mit dieser Verlagsgründung?
Mein Ziel ist es, wie gesagt die "Spielwiese" als Marke weiter auszubauen und nicht mehr jeden Abend bis in die Puppen hinterm Tresen stehen zu müssen. Ich mache es nach 10 Jahren immer noch gerne und es gibt Abende, die ich nur ungern abgebe, aber man wird nicht jünger. Irgendwann möchte ich mich hauptsächlich um den Verlag kümmern und es auch Rolf ermöglichen, die Redakteursarbeit hauptberuflich zu verfolgen. Na und dann ist es mir ein Anliegen Sophia Wagner dabei zu helfen, als Autorin erfolgreich zu werden. Meiner Meinung nach ist sie eine der besten deutschen Autoren, auch wenn sie es bisher noch zu keiner Veröffentlichung geschafft hat. Eigentlich habe ich ihr mal versprochen, dass ich, falls ich mal einen Verlag gründe, mit einem ihrer Spiele starten möchte.
Plaudern Sie doch mal über einige kommende Projekte...;)
Bei der Auswahl der Spiele, die ich mir potentiell in der "Edition Spielwiese" vorstellen könnte, höre ich sehr genau auf meinen Bauch. Seit 10 Jahren beobachte ich Leute beim Spielen und habe ein sehr gutes Gefühl dafür bekommen, was auch von Gelegenheitsspielern gerne gespielt wird. Von daher werden wir immer Spiele veröffentlichen, die ich selbst mag. Und das kann vom leichten Spaßspiel bis zum Schwergewicht reichen, obwohl ich solche Strategieklopper in der Zwischenzeit eher selten spiele.
Neben Sophias "Samarkand", wie der Prototyp im Moment noch heißt, wird in 2017 noch ein kleines, eher leichtes aber trotzdem außergewöhnlich schönes Spiel von Anna Oppolzer & Stefan Kloß erscheinen, auf das ich mich auch schon sehr freue.
Ich würde gerne immer wieder einmal ein Sophia Spiel veröffentlichen und für 2018 gibt es auch schon weitere Autoren, die gerne mit mir arbeiten würden.
Aber wir sind klein und mehr als zwei Spiele werden wir wohl pro Jahr nicht schaffen.
Und, ich kann es noch gar nicht so laut sagen, aber wenn "Cottage Garden" gut anläuft, werden wir etwas, was wir gerade für dieses Spiel produzieren bei allen unseren Spielen versuchen. Eine Sache, die meines Wissens bisher noch kein Spieleverlag so gemacht hat.
Bei welchen Veranstaltungen wird die "Edition: Spielwiese" in nächster Zeit vertreten sein?
Wir werden dieses Jahr zum ersten Mal mit einem Stand auf der "SPIEL" sein. Finden könnt ihr uns in Halle 4 Stand C120.
Danach werden wir mal sehen. Andere Veranstaltungen schaffen wir gerade noch nicht, wobei mind. einer von uns sicher auch bei anderen Veranstaltungen auftauchen wird. Nächstes Jahr werden wir auf alle Fälle in Nürnberg, in Cannes und natürlich auf der "Berlin Con" sein. Ob wir noch auf andere Messen und Spieletreffen in Deutschland gehen, werden wir sehen.
Mit welchen Vertrieben und anderen Verlagen wird die "Edition: Spielwiese" kooperieren. Und warum gerade diese Partner?
Ich habe es mir schwieriger vorgestellt Partner zu finden, aber es sind einige, auch internationale potentielle Akteure von sich aus auf mich zugekommen, die gerne mit mir zusammenarbeiten würden. Ich möchte das Spiel allerdings jetzt erst einmal in der Produktion sehen und mir dann die Argumente der verschiedenen Vertriebler anhören. Eine ziemlich komfortable Situation vielleicht, aber für mich trotzdem wieder ein neuer Bereich, in den ich mich erst einarbeiten muss.
Wir werden aber auf alle Fälle erst einmal über "Spiel Direkt" zu beziehen sein. Diese Genossenschaft ist meiner Meinung nach eh das Beste, was der Kleinverlagszene in den letzten Jahren passieren konnte.
Jetzt mal ehrlich: Was können Sie hinsichtlich des Verhaltens bei Besuchern Ihres Spielecafés überhaupt nicht leiden? ;)
Ganz ehrlich? Was ich überhaupt nicht leiden kann sind Spieler, bei denen ich das Gefühl habe, dass nur das Gewinnen im Vordergrund steht und der meiner Meinung nach allerwichtigste Aspekt, die soziale Interaktion, gänzlich unwichtig ist. Solche Spieler, die nur auf ihre Züge konzentriert sind und die Mitspieler gänzlich ausblenden oder nur als KI wahrnehmen, die ihrem Sieg im Wege steht. Für solche Spieler stelle ich mich nicht jeden Tag hinter die Theke. Und aus diesem Grund werden hier normalerweise auch keine Turniere stattfinden. Macht einfach keinen Spaß.
Die "Spielwiese" ist für jeden offen, für Gelegenheitsspieler, die erst ihr Hobby noch entdecken müssen, für Gruppen, die nur Spaß haben wollen, bevor sie in die Clubs weiterziehen und natürlich auch für Vielspieler. Die Allermeisten wissen das und stellen sich darauf ein. Wenn sich aber ein Tisch darüber beschwert, dass es an einem anderen Tisch etwas lauter zugeht, weil sie dort Spaß haben, weiß ich genau, welcher Gruppe ich lieber beim Spielen zusehe. Aber nicht falsch verstehen. Es geht hier so gut wie nie rücksichtslos zu. Wenn ich das Gefühl habe, es nimmt jetzt überhand, gehe ich auch schon mal dazwischen. Und wer unbedingt seine Ruhe beim Spielen braucht, kann sich die Spiele ja auch nach Hause ausleihen.
Ansonsten bin ich eigentlich extrem glücklich mit meinen Gästen. Auch wenn ich selbst nicht mehr so oft zum Spielen komme, macht es mich immer wieder sehr zufrieden, zu sehen, dass die Leute, die zu mir kommen, eine schöne Zeit haben.