10 Fragen an Sebastian Rapp
16.12.2016
Sebastian Rapp
Redakteur Asmodee
Asmodee
Sie haben das Spiel "Imhotep" betreut, das zum "Spiel des Jahres 2016" nominiert wurde und sehr erfolgreich ist. Was war eigentlich Ihr Eindruck nach der allerersten Testpartie des Spiels?
Hallo Herr Rapp, Sie sind Redakteur beim Verlag "Asmodee". Wie sind Sie zu diesem Berufszweig des Redakteurs gekommen?
Spiele haben mich zeitlebens begleitet, als Kind, als Jugendlicher, und dann so richtig in den 90ern während des Studiums. Als sich mir danach im Jahr 2000 die Chance bot, bei "Kosmos" ein Volontariat im Produktmanagement "Siedler von Catan" zu machen, habe ich keine Sekunde gezögert. Nach knapp 14 Jahren bei "Kosmos" und auf "Catan" war es dann aber Zeit für einen Tapetenwechsel. "Asmodee" suchte einen Redakteur für die Lokalisierung ihrer Spiele – und so hat es mich 2014 dann von Stuttgart in die "Spiele-Welthauptstadt" Essen verschlagen.
Worin bestehen eigentlich exakt Ihre Tätigkeitsbereiche?
Der wichtigste Teil ist die Lokalisierung der Spiele, die wir in den Vertrieb aufnehmen. Hierbei übernehmen wir teilweise den gesamten Prozess, bestehend aus Übersetzung, Layout und Lektorat, teilweise erhalten wir fertige Übersetzungen in Text- oder Layoutfassung und machen nur das Lektorat, teilweise machen wir nur Übersetzung und Lektorat, während das Layout vom Verlag gemacht wird. Der redaktionelle Anteil ist dementsprechend eher gering und beschränkt sich auf inhaltliche Verbesserungen. An der generellen Erscheinungsform, wie es andere Verlage bei Lizenzausgaben mitunter tun, können wir normalerweise nichts ändern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Evaluieren von Spielen. Neben den Verlagen, mit denen wir ohnedies zusammenarbeiten, treten viele Verlage aus dem Ausland an uns heran, die einen deutschen Vertrieb suchen. Und umgekehrt schauen wir uns auch um, ob Spiele „auf dem Markt“ sind, die in unser Portfolio passen könnten. Und all diese Spiele müssen begutachtet, gespielt und diskutiert werden.
Und natürlich erhalten wir, wie jeder Verlag, viele Anfragen von Autoren mit Spielvorschlägen. Wir veröffentlichen zwar selbst derzeit keine Spiele, stehen Autoren aber gerne zur Verfügung, wenn sie Kontakt zu einem „unserer“ Verlage aufnehmen wollen oder generell wissen möchten, ob ihr Spiel zu einem dieser Verlage passen könnte.
Wer gehört noch zu Ihrem Team und welche Tätigkeiten übernehmen Ihre Teammitglieder?
Wir sind aktuell ein Team aus vier Personen, neben mir noch Katja Miller, Sebastian Wenzlaff und Simon Blome. Katja ist unsere Grafikerin und somit zuständig für das Layout der Spiele, bei denen wir das Layout selbst machen. Wir drei anderen teilen uns im Wesentlichen dieselben Aufgaben: Bei jedem Spiel ist einer hauptverantwortlich für die Übersetzung, die anderen beiden beraten hierbei und lektorieren dann normalerweise zuerst die Übersetzung und später die Layout-Fassung. Außerdem Evaluieren wir drei Spiele und antworten auf Autorenanfragen.
Sie waren jahrelang beim Verlag "Kosmos" tätig. Inwiefern unterscheidet sich Ihre aktuelle Tätigkeit beim Verlag "Asmodee" zu der bei "Kosmos"?
Bei "Kosmos" war ich ab Frühjahr 2003 der verantwortliche Produktmanager für "Catan" und war somit für alles „rund um Catan“ zuständig. D. h. ich war an der Entwicklung aller "Catan-Spiele" beteiligt, die ab Herbst 2000 erschienen sind und habe manche davon selbst redaktionell betreut, habe die "Catan-Community", die "Catan News" und eine Zeitlang die "Catan-Webseite" betreut und war ansonsten so etwas wie die "Schnittstelle" für "Catan" zwischen Klaus Teuber und der "Catan GmbH", dem (bedauerlicherweise kürzlich verstorbenen) externen "Catan-Redakteur" Reiner Müller, diversen Abteilungen innerhalb des Verlags und war auch Ansprechpartner für etliche der Lizenzpartner inhaltliche Fragen betreffend.
Allerdings war meine Position in die Familien- und Erwachsenenspiel-Redaktion eingebettet, so dass ich auch dort in alle Entscheidungen eingebunden war und, wenn es "Catan" zeitlich erlaubt hat, auch "Nicht-Catan-Spiele" redaktionell betreut habe. So war ich u. a. für "Nauticus" und "Helvetia" verantwortlich und habe zusammen mit Stefan Stadler 2008 die kleine Kartenspiel-Reihe bei "Kosmos" aus der Taufe gehoben.
Aber ich war auch maßgeblich an einigen der wenigen reinen Lokalisierungs-Veröffentlichungen bei "Kosmos" beteiligt. Dazu gehören insbesondere die Lokalisierung des "Herr-der-Ringe-Spiels" "Abenteuer Mittelerde", zusammen mit Michael Baskal, und "Kingsport Festival", das ich kurz vor meinem Weggang übersetzt habe, das dann ebenfalls von Michael Baskal vollendet wurde.
Und damit schließt sich auch der Kreis zu meiner jetzigen Tätigkeit.
Welches Spiel von "Asmodee" hat Ihnen in den letzten 2 Jahren besonders gut gefallen und warum?
Das ist nicht einfach, denn eigentlich muss ich da drei Spiele nennen, alle von 2015:
1. "T.I.M.E Stories"! Einfach, weil das zugrundeliegende Spielkonzept des Storytellings großartig ist und die grafische Umsetzung phantastisch ist. Mit recht einfachen Mitteln erlebt man eine atmosphärisch dichte Geschichte. Und das ganz ohne Spielleiter, so dass jeder Teilnehmer mitspielen und dabei sein kann. Außer mir natürlich, denn irgendwer muss die Szenarien ja übersetzen …
2. "Pandemic Legacy": Ein Spielerlebnis, das mich gefesselt hat wie eine gute TV-Serie. Das "Legacy-Prinzip" hat irrsinnig viel Potenzial für die Zukunft und ich persönlich wünsche mir noch viele solcher Spiele, die eine Geschichte erzählen und sich dabei von Partie zu Partie wandeln.
3. "Mysterium": Das Konzept, mit diesen überschwänglichen Illustrationen zu kommunizieren ist so einzigartig, dass die tatsächlichen Regeln beinahe schon in den Hintergrund treten.
Wie muss ein Spiel sein, sodass Sie sich für eine Lokalisierung entscheiden?
Das folgt denselben Kriterien wie bei jedem anderen Verlag auch. Zunächst muss das Spiel die Redaktion spielerisch überzeugen, dann wird es zusammen mit den übrigen Gremien (Verkauf, Einkauf, Marketing) auf Markttauglichkeit geprüft, also ob sich das Spiel zum geforderten Preis in einer sinnvollen Auflage verkaufen lässt. So kann es immer wieder passieren, dass ein "Asmodee-Spiel" zwar in anderen Ländern von "Asmodee" vertrieben wird, in Deutschland aber nicht (bei uns) erscheint, denn die Märkte sind nun mal unterschiedlich.
Zur "Spiel 16" hat "Asmodee" bereits die Neuheiten vorgestellt. Können Sie einiges zu diesen berichten?
Wie viel Platz haben wir denn? Da wir sehr viele Verlage vertreiben, haben wir natürlich auf der Messe wieder eine recht große Menge an Titeln vorgestellt – auch wenn jeder einzelne dieser Verlage vielleicht nur 1 oder 2 Spiele veröffentlicht.
Also ein kleiner Rundumschlag, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Zunächst einmal scheint 2016 das Jahr der Erweiterungen zu sein: Zu "7 Wonder Duel" gesellt sich "Pantheon", zu "Deus" kommt "Deus Egypt", zu "Korsaren der Karibik" die "Ruhmreiche See", zu "Smallworld" die "Riverworld" und in "Colt Express" kann man mit "Marshal & Gefangene" nun auch den Marshal spielen. Abgerundet wird das mit einer der schönsten Erweiterungen zu "Dixit": Revelations.
Keine Erweiterung, sondern ein eigenständiges Spiel ist "Zug um Zug Weltreise", das seinen Reiz aus dem Wechselspiel zwischen Zügen und Schiffen bezieht. Das Management der eigenen Figuren und der Handkarten ist hierbei kniffliger als es auf den ersten Moment aussieht. Von "Bombyx" kommt "Club der Erfinder", ein wunderschön illustriertes Spiel mit einfachen Regeln, in dem man versucht, möglichst viele Erfindungen zu machen, bevor die Konkurrenz schneller ist. Und die "Space Cowboys" haben mit "Hit Z Road" ein echtes gestalterisches Kleinod geschaffen, da das Spiel die Story eines kleinen Jungen erzählt, der während einer Zombieapokalypse mit seinen Eltern auf der Flucht ist und dabei dieses Spiel entwickelt hat, das wiederum die Geschichte dieser Flucht erzählt. Und entsprechend ist das Spiel auch gestaltet, alles wirkt alt und zusammengeklaubt, was die Atmosphäre ganz großartig einfängt.
Das Augenmerk möchte ich aber auf zwei Titel lenken, die in meinen Augen sehr besonders sind: Zum einen "4 Gods" von "Ludically", das den überaus reizvollen Versuch wagt, ein eher konventionelles "Plättchen-Legespiel", bei dem man gemeinsam eine Welt baut und bevölkert, mit einem "Echtzeit-Mechanismus" zu versehen. Die Spieler bauen also alle gleichzeitig an der Welt und entscheiden sich auch erst während des Spiels, welchen Gott sie verkörpern wollen. Das habe ich so noch nicht gesehen – und auch nicht, dass die Spieldauer eines Spiels mit jedem zusätzlichen Mitspieler abnimmt. Das andere ist "Million Club" von "Playad Games", ein "Worker-Placement-Spiel" mit Wirtschaftsthema, das alle Elemente des Genres auf das Wesentlichste reduziert: Jeder hat 2 Arbeiter, es gibt insgesamt 5 Aktionsmöglichkeiten, von denen pro Runde nur 4 zur Verfügung stehen. Gespielt werden exakt 9 Runden. D. h. man hat im gesamten Spiel 18 Aktionen, von denen jede zählt. Ist für 2 bis 6 Spieler und dauert spielerzahlabhängig 30 bis 90 Minuten.
Wofür steht Ihrer Meinung nach die Marke "Asmodee"?
"Asmodee" steht für eine gesunde Mischung aus bewährten, etablierten Spielen und innovativen Idee, die in der Regel qualitativ hochwertig ausgestattet und gestaltet sind und daher ggf. auch etwas hochpreisiger sein dürfen, was dafür aber etwas aufwändigere Design-Entscheidungen ermöglicht.
Was läuft bei "Asmodee" aus Ihrer Sicht hervorragend und was könnte noch optimiert werden?
Da wir seit einigen Jahren stetig wachsen, sich unser Spieleangebot qualitativ regelmäßig verbessert und sich jedes Jahr einige Titel als Longseller etablieren, läuft es in dieser Hinsicht äußert zufriedenstellend. Potenzial haben wir allerdings sicher noch bei der Nachproduktion erfolgreicher Titel, da wir diese teilweise nicht schnell genug nachbeziehen können, um die Nachfrage auch kurzfristig zu decken.
Was ist Ihr Fazit der "Spiel 16" und wie haben Sie dort so Ihre Zeit verbracht?
Ich habe meine Zeit hauptsächlich in Meetings mit bestehenden und potenziellen Partner verbracht. Dabei habe ich mir Spiele zeigen oder erklären lassen, manche auch (an-)gespielt und habe über zurückliegende, aktuelle und zukünftige Projekte gesprochen. Mein persönliches Fazit ist wie jedes Jahr sehr positiv, denn ich habe viele Menschen getroffen, die ich nur ein- bis zweimal im Jahr sehe – manche zwar nur zwischen Tür und Angel und einige leider auch gar nicht. Spielerisch muss man sehen, was bleibt. Es gibt einige spielerisch starke Titel, aber 2015 hatte ein paar ganz herausragende, wegweisende Spieleneuerscheinungen (siehe Frage 5). Ähnliches kann ich derzeit über 2016 noch nicht sagen – aber das mag sich in den kommenden Wochen noch ändern.