10 Fragen an Matthias Cramer
13.04.2016
Matthias Cramer
Spieleentwickler
Glen More 2
Watergate
Rococo
Schwindler
Hallo Matthias, vorab Danke, dass du dir für die Fragen Zeit nimmst.
Was viele Leser und Leserinnen bestimmt interessieren wird, ist, dass dieses Jahr (2016) zwei neue Spiele, "Fight for Olympus" ("Lookout Games") und "Dynasties: Heirate & Herrsche" ("Hans im Glück Verlag") auf den Markt kommen werden. Vielleicht kannst du schon einmal einige Charakteristika dieser beiden Spiele nennen.
"Dynasties" besitzt einen zentralen Mechanismus, der sich durch das ganze Spiel zieht: das brüderliche Teilen. D.h. ein Spieler teilt in zwei Hälften und der andere Spieler sucht sich eine Hälfte aus. Da die Waren bzw. Würfel, die geteilt werden müssen, zu ganz unterschiedlichen Aktionen führen, ist dieses Teilen sehr spannend. Welche Hälfte wird mein Mitspieler wohl nehmen? Was möchte er/sie unbedingt haben? Alle anderen Elemente aus "Dynasties" sind die Konsequenz, um dieses Teilen in Szene zu setzen.
"Fight for Olympus" kommt aus einer ganz anderen Ecke. Ich liebe Trading Card Games und Living Card Games. Aber mir fehlt – wie vielen – leider die Zeit, mich dort einzuarbeiten und Decks zu bauen. Der Kampf um den Olymp soll diese Lücke schließen. Die Aufbauzeit liegt bei 10 Sekunden, Deckbau entfällt und das Spiel selbst hat auch so gut wie keine Eröffnungsphase, sondern es geht in die direkte Konfrontation. Trotzdem fühlt es sich wie ein Trading Card Game an: welche Karte spiele ich und welche Karte nehme ich zum Bezahlen. Mit welcher Karte kann ich Druck aufbauen und womit kann ich mich am besten wehren.
Wie ist das für dich, wenn bald zwei Spiele unter deinem Namen erscheinen werden. Setzt man sich selbst unter Druck, oder siehst du der Veröffentlichung gelassen entgegen?
Kurz vor einer Veröffentlichung gibt es eine Menge zu tun. Regeln müssen korrekturgelesen, Materiallisten abgeglichen werden usw. Bei "Fight for Olympus" gibt es 84 verschiedene Karten – hier müssen alle Karten dieselben Begrifflichkeiten verwenden und möglichst alle Regelfragen beantworten ohne mit einem ellenlangen Text bedruckt zu sein. Das ist viel Feinarbeit und benötigt auch mehrere Leute, weil Redakteur und Autor, die ja schon eine Weile an dem Spiel arbeiten, betriebsblind werden.
Mit aller Wahrscheinlichkeit werden u.a. die beiden Spiele (s.o) auf der Spielemesse vorgestellt. Was bedeutet eine solche Messe für dich? Und was machst du konkret als Autor, wenn du eine solche Messe besuchst?
Auf die "Spiel" zu gehen heißt für mich hauptsächlich Leute zu treffen. Das fängt am Mittwoch an, an dem traditionell die Biervorräte eines bekannten Hamburger Verlegers vernichtet werden müssen und geht dann bis zum grippalen Infekt am Sonntagabend. Dazwischen liegen viele Termine, bei denen ich zum Teil neue Prototypen bei Verlagen vorstelle, aber auch viele Treffen, um einfach Hallo/Hello/Salute zu sagen. Und wir Autoren tauschen fleißig Spiele untereinander. Seit ich mein französisches Rokoko auf Verdacht gegen ein Louis & Clark getauscht habe, weiß ich, dass Cédrick Chaboussit ein sehr netter Mensch ist und treffe ihn jedes Jahr.
Entwickelst du beim Prototypen erst einmal den Mechanismus und dann das Thema? Wenn ja, warum?
Ich würde gerne alle Spiele vom Thema her entwickeln, da ich der Meinung bin, dass Spiele Geschichten erzählen sollten. In der Realität ist das sehr unterschiedlich. "Lancaster" war immer Lancaster und erzählt eine Epoche aus der englischen Geschichte. "Dynasties" ist das genaue Gegenteil: es wird durch seinen zentralen Mechanismus bestimmt.
Neben dir existiert in der Brettspielszene ein weiterer renommierter Spieleautor, und zwar Wolfgang (K)ramer. Ist es bisher schon zu Verwechselungen oder anderen Situationen gekommen, die auf dem Gleichklang des Nachnamens basieren?
Eine Signatur auf einer "El Grande" Schachtel wollte noch niemand von mir. Kramerleistenwitze gehören aber zu meinem Alltag.
Bei welchem Spiel würdest du denken: „Schade, das hätte ich gerne selbst entwickelt?“ ;)
So etwas passiert laufend und das muss ja auch so sein. Die Innovationen bei Brettspielen werden von vielen Autoren vorangetrieben. Gäbe es nur eine Handvoll Autoren, wäre die Neuheitenliste weitaus weniger spannend.
Hast du eigentlich einen Lieblingsillustrator für deine Spiele? Wenn ja, wer und warum?
Nein. Das "Kraftwagen-Cover" von Harald Lieske ist einzigartig. Claus Stephan hat zwei meiner Spiele großartig illustriert. "Pi mal Pflaumen" ist eine optische Wucht. Wie soll man da einen Lieblingsillustrator haben …
Wie würdest du mit drei Wörtern deinen Autorenstil beschreiben?
Win-Win-Situationen, "Glen-More-Rondell" und Storytelling
(das geht hoffentlich als 3 Worte durch)
Wie bist du eigentlich zum Entwickeln von Spielen gekommen und mit welchen Materialien bzw. mit welcher Software entwickelst du deine Prototypen?
Wenn man viel spielt und eigene Ideen hat, kann man das Entwickeln von Spielen gar nicht vermeiden. Ich habe vor Jahrzehnten mit "18xx-Varianten" angefangen, das damals aber nicht ernsthaft verfolgt. Seit ich mich mit "Euro-Games" beschäftigt hatte, wurde es schon ernster und eine Veröffentlichung realistischer. Mittlerweile orientiere ich mich eigentlich in Richtung Familienspiele, aber die Rückfall-Quote ist verdammt hoch!
Wenn du ein Familienspiel und ein Vielspielerspiel als Geheimtipp nennen könntest, welche Spiele wären dies?
"The Grizzled" von Fabien Riffaud und Juan Rodriguez hat mich im letzten Jahr durch seine thematische Dichte sehr beeindruckt. Mit "Time Bomb" von Yusuke Sato habe ich auch schon viel Spaß gehabt. Von diesem Spiel wird man sicherlich noch mehr hören.